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PTTRNS »Science Piñata«

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In letzter Zeit ist mir die Lust auf Konzerte zunehmend vergangen. Das hat zum einen sicherlich mit einer veränderten Lebenssituation zu tun, zum anderen – und das scheint mir der gewichtigere Teil zu sein – mit der platten Konventionalität der Shows, der Szene und vieler Bands aus dem Punk‑, Hardcore und Indie-Bereich, die allesamt wichtige Eckpfeiler meiner musikalischen Sozialisation waren (und sind). Das Immergleiche des Sounds, des Auftretens und damit des Auftritts erledigte aber größtenteils mein gegenwärtiges Interesse an dem, was voller Ressentiment und Rückständigkeit »authentische« Musik genannt wird und immer schon verdeckte Ideologie war, weil ihr und dem Drumherum eine Aura angedichtet wurde, die niemals Platzhalter eines emphatischen Begriffs von Freiheit ist und sein kann. Ganz im Gegenteil rekurriert man bewusst oder unbewusst auf Handarbeit, Ritual, Authentizität und Mythos, die in den jeweiligen Szenen immer schon mit himmlischen Vergleichen aufbereitet wurden.

Jenen Himmel bringen die PTTRNS zu Fall und sehen dabei nicht als außenstehende, aber distanzierte Beobachter zu. Der neue Longplayer der drei sympathischen Kölner, die sich live immer Verstärkung mit ins Boot holen, stößt vor den Kopf konventioneller Konzertgänger und Szeneteilnehmer, weil der Punk nur noch in Attitüde und vereinzelten Riffs auftaucht – dafür die Reminiszenz an die Club‑ und Popkultur der ausgehenden 70er‑ und beginnenden 80er-Jahre in unkonventionellen Versatzstücken als Triebfedern herangezogen wird. Eine Reminiszenz an eine Zeit also, in der Post-Punk, Pop, Soul, Disco, Reggae und Afro-Beat eine fruchtbare Melange eingingen und vor allem in England Bands wie Gang of Four, Heaven 17 oder die Talking Heads hervorbrachte: Off-Beat statt Uptempo. Percussion statt Gedresche. Improvisation statt Monotonie. All diese Momente vereinen die PTTRNS zu einem Konzept, das jeglicher Kategorisierung trotzt. Die zum Habitus stilisierten Gesten von vermeintlichem Rebellentum oder hemdsärmeliger Coolness, die in der Popmusik mittlerweile als Markenzeichen verschiedener Varianten angemaßter Erwachsenheit oder eben Jugendlichkeit funktionieren, sind auf »Science Piñata« nicht zu finden.

Man könnte an dieser Stelle also die Musik anpreisen, die Aufnahme afro-amerikanischer Rhythmusstränge in den Sound musiktechnisch sezieren, die klaren Anleihen an Arthur Russell – einen der besten Musikproduzenten der letzten Jahrzehnte – benennen und die Spielfreude und Ideenhaftigkeit anführen, die den PTTRNS von Beginn an noch nie abhanden gekommen zu sein scheint. Das alles liefe ins Leere, weil damit nur wieder Konventionen und Kategorien geschaffen werden, die dem Album und vor allem den Musikern der Band niemals gerecht werden. Dementsprechend muss ich mich doch relativieren: die Lust auf jedes x-beliebige Konzert jeder x-belibiegen Band ist mir vielleicht vergangen; ein Liveauftritt der PTTRNS lohnt hingegen noch immer.

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